Feilschen, Verhandeln, „Nein“-Sagen (Umsonst oder kostenlos Teil 6)

Man muß heute zum Glück nicht immer und überall feilschen so wie im „Leben des Brian“ (Video am Ende des Textes). Es ist schon ganz gut, daß der Joghurt im Supermarkt 39 Cent kostet, der Preis auf dem Regal steht und man an der Kasse ohne Diskussionen schnell und unkompliziert 39 Cent bezahlen kann. Wegen allem zu feilschen oder zu verhandeln wäre nervig; auch wenn mal nicht die halbe Jerusalemer Garnison der Römischen Armee hinter einem her ist.

Daraus zu schließen, daß es wenn ein Kunde ein Angebot für eine Nutzung oder einen Auftrag macht genauso laufen sollte wie bei Joghurtkauf im Supermarkt, wäre dumm. Das fängt schon an dem Punkt an, daß es etwas anderes ist, ob ein Kunde ein Bild anfragt und einen Preis und Nutzungsbedingungen vorschlägt oder ob ein Fotograf einen Preis für seine Arbeit festlegt, wie es der Supermarkt macht.

Würden 10 Fotografen und 10 Normalbürger im Supermarkt stehen und ein anderer Kunde würde den Supermarkt betreten und dem Marktleiter zurufen: „Ich will einen Joghurt! Dafür zahle ich aber nur 19 statt 39 Cent, erwarte aber, daß ich mir dafür aber in Zukunft für mich und meine Freunde umsonst soviele Joghurts holen kann wie ich will!“, dann würden die meisten Menschen im Supermarkt sagen, „Der Typ spinnt und der Marktleiter wäre bescheuert, wenn er darauf eingeht!“. Aber mindestens zwei der Fotografen würden ängstlich schauen und denken: „Oh Gott, wenn der Marktleiter jetzt ’nein‘ sagt, dann bekommt er von dem Mann kein Geld und der holt sich seine Joghurts und alle anderen Lebensmittel in Zukunft woanders! Dann geht der Supermarkt pleite und der Marktleiter und seine Kinder müssen alle verhungern!“

Der Marktleiter wird das nicht tun und das (abgesehen davon daß die meisten Supermarktleiter sowas heute nicht mehr entscheiden dürfen) aus drei Gründen: Erstens würde er draufzahlen, das wäre dumm, es sei denn man glaubt an „Wir machen bei jedem Auftrag miese, holen das aber wieder rein, weil wir wegen unserer günstigen Preise viel mehr Aufträge haben als die Konkurrenz“. Zweitens würde er damit rechnen müssen, daß die anderen Kunden dann auch diese Preise wollen und sein Geschäft völlig zusammenbricht, selbst, wenn er diesen Wahnsinnspreis einmalig kompesnieren könnte. Und drittens und vor allem: weiß er, daß der andere zwar Geld aber eben auch Hunger hat.

Genauso ist es, wenn ein Kunde ein Bild und einen Nutzungsumfang (ob ein Preis angemessen ist hängt immer auch ganz entscheidend am Umfang der eingeräumten Nutzungsrechte!) anfragt und dafür einen Preis vorschlägt/anbietet. Der Kunde macht das nicht, weil er dem Fotografen ein Almosen zukommen lassen will, sondern, weil der Fotograf etwas hat, was der andere haben will. Dass der Kunde versucht für sich das beste rauszuholen ist (in gewissen Grenzen) legitim, aber das ganze ist verhandelbar. Märkte funktionieren als eine Balance aus Angebot und Nachfrage und nicht über das Preisdiktat des Kunden. Diese Balance wird verhandelt.

So wie der Kunde auch keine Angst davor hat, daß der Fotograf bei einem miesen Angebot „nein“ sagt und sich auf ein besseres Angebot garnicht mehr einläßt, so sollte auch der Fotograf keine Angst haben nachzuverhandeln, einen Gegenvorschlag zu machen oder eben „nein“ zu sagen.

Zu dem Thema gibt es auch hier noch ein tolles Video mit Fotografeninterviews:

“If you sell yourself cheap, you will never get out of that hole.” – Barbara Bordnick

Ein ganz interessantes Statement ist die Aussage von Chase Jarvis, daß man seine Preise nicht ohne einen Grund erhöhen oder senken kann. Denn das führt beim Gegenüber zu dem Eindruck, daß die Preise nicht kalkuliert, sondern beliebig sind. Wenn mich eine Fluggesellschaft mit dem gleichen Essen an Bord, im selben Flugzeugmodell für 500 € von Frankfurt nach Berlin aber für 200€ nach Athen fliegt und der Flieger nach Berlin noch schlechter ausgelastet ist, dann habe ich eher das Gefühl auf dem Flug nach Berlin abgezockt worden zu sein, als auf dem Flug nach Athen was gespart zu haben.

Wenn der Fotograf einem Kunden erklärt, daß eine Leistung 500 € kostet, der Kunde sagt, er habe nur 200 € und der Fotograf sagt „ja machen wir“ und nicht „bei 200 € müssen wir aber folgenden Abstriche machen“, dann wird der Kunde das als unseriös empfinden und beim Kunden bleibt vor allem hängen: „Der Sack hat gerade versucht mir 300 € für nix abzuknöpfen!“

Verhandeln und feilschen hat also – wenn man es richtig macht und dem Kunden erklärt, was warum wieviel kostet und was für welche Summe zu haben ist – weniger etwas mit windigen Händlern mit einer im sterben liegenden Großmutter, wie im Leben des Brian, zu tun, sondern ist eher ein Zeichen von Transparenz und einem partnerschaftlichen Umgang zwischen Fotograf und Kunde.

2 Antworten auf „Feilschen, Verhandeln, „Nein“-Sagen (Umsonst oder kostenlos Teil 6)

  1. Der Vergleich mit den Jogurt hinkt etwas, zeigt aber trotzdem wie sich mache verhalten wenn es um Bilder geht.

    Am wichtigsten finde ich den letzten Absatz. Wenn man im Preis herunter geht, muss auch die Leistung geringer werden. Sonst wirkt der Preis willkürlich.

    Sehr schöner Artikel, weiter so. :)

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